Städte entwickeln sich ständig und so werden zwangsweise Gebäude aufgegeben, sobald sie ihren Nutzen verlieren. Doch Abriss oder Instandhaltung sind oft zu teuer oder aufwendig, weshalb viele Bauten dem langsamen Verfall überlassen werden. Die Einsamkeit dieser sogenannten Lost Places fand jedoch insbesondere im Zuge der seit einigen Jahren aufkeimenden Urban Explorer-Bewegung (Urbex) insbesondere in Berlin ein Ende. Die nämlich gibt den dahinsiechenden Bauten einen neuen Sinn, erforscht und erkundet sie, schmückt sie mit Graffiti. Das Resultat könnte man als anarchische Museen bezeichnen, die von Gleichgesinnten gleichermaßen kuratiert und besucht werden.
Worte der Warnung
Bitte beachtet Vorab, dass wir niemandem aktiv empfehlen, sich auf eine Urbex-Tour zu begeben. Oft bewegt man sich bei einer Erkundungstour auf dünnem juristischen Eis, denn nicht immer ist klar, ob ein Gebäude begangen werden darf. Insbesondere wenn es deutlich abgesperrt ist. Seid daher bitte vorsichtig und seid euch potenzieller Konsequenzen bewusst!
Daneben gibt es noch einige allgemeine Verhaltensregeln, die man im Hinterkopf behalten sollte:
- Lasst nichts zurück
- Vandalismus und Diebstahl sind No-Gos!
- Geht keine Gefahren ein – die Gebäude sind oft baufällig.
- Seid vorsichtig und respektvoll. Einige Lost Places sind bewacht, andere werden von Nachbarn im Auge behalten.
- Teilt keine spezifischen Adressen für die Orte
Lost Places in Berlin: Klassiker
Als einer von zwei überregional bekannten Lost Places in Berlin, verdient der Teufelsberg den ersten Platz auf unserer Liste. Das Areal um die ehemalige Abhörstation ist aus vielerlei Gründen ziemlich gruselig! Ursprünglich gab es hier nämlich gar keinen Berg, sondern den Rohbau der Wehrtechnischen Fakultät der Nazis, die nie fertiggestellt wurde. Nach der Befreiung von den Nationalsozialisten wurde das Gebäude schließlich gesprengt und das Gelände zu einem von vielen Trümmerbergen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Überreste von ganzen 15.000 Häusern sollen in dem künstlichen Berg bis heute vergraben liegen und mit ihnen die Geschichten tausender Berliner:innen, die sie einst bewohnten. Die Anlage auf dem Berg wurde von 1957 bis 1990 erst als Abhörstation und zuletzt als Flugüberwachung genutzt, musste schließlich jedoch aus Kostengründen aufgegeben werden. Heute gibt es geführte Touren durch die Anlage.
Der andere, weit bekannte Lost Place ist natürlich der Berliner Spreepark. Dieser war für lange Zeit ein beliebtes Ausflugsziel für Urban Explorer, befindet sich aktuell jedoch wieder im Aufbau und ist deshalb streng genommen nicht mehr so richtig lost.
Beelitz-Heilstätten
Unser zweiter Eintrag ist mit Sicherheit auch vielen Berliner:innen bereits bekannt. Die Heilstätten liegen nämlich nur eine einstündige Auto- oder Bahnfahrt außerhalb der Stadt. Finden könnt ihr in dem ansonsten idyllischen Waldgebiet die Überreste einer einst majestätischen und doch irgendwie unheimlichen Anlage, die als Heilstätte für Lungenerkrankungen und als Sanatorium genutzt wurde. Mit den damals noch äußerst barbarischen Verfahren zur „Behandlung“ von psychisch Erkrankten, lässt sich schnell nachvollziehen, was in den Gemäuern einst stattfand.
Wem das noch nicht gruselig genug ist, braucht nur einen Blick auf die heruntergekommenen Gebäude werfen, die eine enorm unheimliche Präsenz ausstrahlen. Seit 2015 muss nicht mehr aufs Gelände eingebrochen werden, um einen Blick zu erhaschen. Seitdem gibt es nämlich einen Baumkronenpfad, der euch durch die Wipfel des Waldes rund um das Gebäude führt und somit eine super Aussicht ermöglicht, ohne eure Hälse zu riskieren.
Stasi-Hotel
Das Hotel, das nie eins wurde: Der Zusammenbruch der DDR kam, bevor das Gebäude fertiggestellt werden konnte. Das Haus, das auch als MfS-Ferienheim Buchheide bekannt ist, sollte den Staatsspitzeln etwas Ruhe zwischen ihren Lauschangriffen und Manipulationen bieten. Zu diesem Zwecke sollte es neben 180 Schlafzimmern auch mit einem Pool, einer Sauna, Bar und Bowlingareal ausgestattet werden. Statt dem geplanten Spitzel-Spa hat sich hier ein ganz eigenes Ökosystem entwickelt. Die Natur hat ihr Gelände zurückerobert – davon zeugen unter anderem Bäume, die sich ihren Weg durch die leeren Stockwerke erkämpfen.
Naturpark Südgelände
Das Südgelände in Schöneberg ist wahrscheinlich der am einfachsten zu entdeckende Lost Place auf dieser Liste. Aus dem ehemaligen Bahnhof wurde im Laufe der Jahre ein Naturschutzgebiet – und deshalb sind auch einige Bereiche nicht zugänglich. Neben den seit Jahren unbefahrenen Gleisstrecken gibt es auch ein Bahnbetriebswerk und einen Wasserturm zu besichtigen. Die Dampflok ist schließlich eines der beliebtesten Fotomotive des Südgeländes.
Institut für Anatomie
Die perfekte Kulisse für einen Horrorfilm ist das ehemalige Institut für Anatomie der FU Berlin, das im Jahr 1949 hierher ausgelagert wurde. Nachdem 2003 die medizinischen Fakultäten der Berliner Unis zusammengelegt wurden, verlor das Gebäude seinen offiziellen Zweck. Gruselig sind hier insbesondere die Lehrräume der Pathologie im Kellergeschoss. Dort warten nämlich alte Seziertische und Kühlfächer für Versuchssubjekte.
Kinderkrankenhaus Weißensee
Wie das obige Foto zeigt, schneidet dieser Lost Place auf der Verfalls-Skala deutlich besser ab als seine Vorgänger auf dieser Liste. Ea zeigt trotzdem deutlich, wie der Zahn der Zeit an einem seinerseits hochmodernen Institut nagt und bildet damit ein bittersüßes Memento Mori ab. Modernste Technik, ein Park für frische Luft und sogar ein eigener Bauernhof für Versorgung mit Milch machten das Gebäude zum Stolz von Weißensee. Nachdem es 1997 geschlossen wurde, wurde es zu einem Top-Spot für Urban Explorer.
Ballhaus Grünau
Hier spielt die Musik schon lange nicht mehr! 1890 war das Ballhaus Riviera in Grünau das Äquivalent zum Berghain heutzutage. Im Ballhaus Riviera konnte man das ganze Jahr hindurch tanzen und feiern. Vor allem, nachdem die Sommerspiele von 1936 dem Veranstaltungsort neuen Rückenwind verliehen hatten. Doch alles hat ein Ende und so ist das Klavier nur noch ein ungestimmter Staubfänger, seitdem das Ballhaus 1990 geschlossen wurde.
Luft- und Badeparadies Blub
Blub, blub, blub. Untergegangen ist auch dieses ehemalige Freizeitzentrum. Wobei es in gewisser Weise noch immer zu Freizeit und Spaß beiträgt. Ein Kommentar, den wir im Netz fanden, berichtete zum Beispiel davon, dass das Blub zur Coronazeit ein beliebter Veranstaltungsort für Raves war! Ursprünglich war das Spaßbad in Britz wegen Rattenbefall und unhygienischen Zuständen geschlossen worden. Dazu kam die enorme Einsturzgefahr nach mehreren Bränden.
Irakische Botschaft
Einer der berüchtigtsten Lost Places in Berlin ist die ehemalige irakische Botschaft in Niederschönhausen, die 1991 zurückgelassen wurde, als die letzten irakischen Botschafter Deutschland verließen. Nach offiziellem Recht gehört dieses Bauwerk übrigens noch immer dem irakischen Staat, denn Botschaftsgebäuden obliegt ein ewiges Nutzungsrecht. Bis heute ranken sich viele kontroverse Geschichten um die verlassene Botschaft: War sie einmal Zufluchtsort für Terroristen? Wurden hier vertrauliche Dokumente von Hussein gelagert? Das werden wir vermutlich nie herausfinden und doch bleibt das Mysterium zurück und lockt bis heute Urban Explorer an, die seine Rätsel knacken wollen.