Das Künstlerhaus Bethanien sticht aus den Bauten in seiner Umgebung in Kreuzberg ohne Frage heraus. Die kleinen Spitztürme am Eingang des Gebäudes haben einfach einen ganz spezifischen Charme, den man so in Berlin nicht häufig findet. Wer hinter die schöne Fassade schaut, findet jedoch weit mehr, als der elegante Putz vermitteln mag. Wir haben die turbulente Geschichte des Künstlerhauses festgehalten.
Kunstquartier Bethanien: Ursprünglich ein Krankenhaus
Das Gebäude am Mariannenplatz hat seinen Ursprung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es wurde als „Central-Diakonissenanstalt und Krankenhaus Bethanien“ im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, erbaut. Der Name „Bethanien“ bezog sich auf einen biblischen Ort, an dem Jesus Lazarus von den Toten auferweckte, was für ein Krankenhaus ein passender Bezug war.
Während der Revolutionsjahre 1848/1849, als der König auf Demonstranten in Berlin schießen ließ, wurden viele Verletzte gegen ihren Willen ins Bethanien gebracht. Dort wurden sie von den Schwestern aufgefordert, Reue zu zeigen und viele von ihnen verstarben, anstatt medizinisch versorgt zu werden. Ironischerweise hatten die Revolutionäre zuvor überlegt, das Bethanien zu stürmen, weil sie es als „Hort der Reaction“ betrachteten. Dass sie schließlich genau dorthin gebracht und schlecht behandelt wurden, bestätigte ihre Vorbehalte.
In derselben Zeit arbeitete übrigens auch der bekannte Schriftsteller Theodor Fontane als Apotheker im Krankenhau. Die original erhaltene Fontane-Apotheke befindet sich im noch heute im Erdgeschoss der Nordost-Ecke des Hauptgebäudes und erinnert an den berühmten Mitarbeiter.
Im Jahr 1933 lehnte die Leitung des Bethanien-Krankenhauses es ab, den Nationalsozialisten nachzugeben und ihre Führungspositionen mit Parteigenossen zu besetzen. Das ließ die Gestapo nicht lange auf sich sitzen: 1941 beschlagnahmte sie das Seminarhaus, um dort ein Blindenlazarett einzurichten. Während des Zweiten Weltkriegs wurden viele Ärzte und vermutlich auch Schwestern an die Front geschickt, was zu personellen Engpässen führte. 1943 erlitt das Gebäude leichte Schäden durch Luftangriffe und 1945 wurde es schwer beschädigt – vermutlich durch den Großangriff der alliierten Bomberflotten am 3. Februar 1945.
Das Kunstquartier Bethanien seit der Nachkriegszeit
Nach einer sofortigen Schadensbehebung bis 1947 wurde in den folgenden Jahren der Südflügel des Krankenhauses erneuert. Im Zuge des Mauerbaus blieben schließlich Patienten aus dem Berliner Osten aus, was das Bethanien in die Zahlungsunfähigkeit führte. Abrisspläne wurden bekannt, konnten jedoch durch den Bund deutscher Architekten verhindert werden. Schließlich wurde der Bau unter Denkmalschutz gestellt.
1970 wurde das Krankenhaus geschlossen und nicht lange danach begannen die ersten Besetzungen des Baus, erstmals 1971 durch Jugendliche. Bei den darauffolgenden Polizeiaktionen starb einer der Besetzer, nach dem das ehemalige Schwesternheim von den Besetzern umgetauft wurde. Noch heute findet man das Georg-von-Rauch-Haus im Künstlerhaus Bethanien.
1973 wurde das ehemalige Krankenhaus von Künstlergruppen und dem Berufsverband Bildender Künstler Berlin in ein Kultur- und Sozialzentrum mit Atelier- und Ausstellungsprogramm umgewandelt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Zentrum zu einem bedeutenden Ort für Kunst und Kultur.
Seitdem hat das Bethanien hunderte umfangreiche Projekte realisiert und vorgestellt. In den früheren Jahren schloss die Arbeit alle künstlerischen Disziplinen ein: Tanz und Theater, bildende Kunst, Literatur, Musik, Klangkunst, Performance und Architektur. Insbesondere die Internationalen Regieseminare für Film und Theater, die bis ins Jahr 2001 stattfanden, gaben dem Programm des Instituts wesentliche Impulse und förderten auf herausragende Weise den Kulturaustausch. Im Rahmen von Stipendienprogrammen konnten bis heute rund 950 Künstler*innen aus der ganzen Welt das Künstlerhaus Bethanien als Karrieresprungbrett nutzen, wie eine lange Liste mittlerweile bekannter Namen bezeugen kann.