Der Kunstmarkt ist schon seltsam. Neben den klassischen Kunstsammlern hat sich in den letzten Jahren dort ein neuer Typus abgezeichnet, der oft als „Art Flipper“ bezeichnet wird. Diesen Spekulanten geht es nicht darum, Kunst zu besitzen. Es geht ihnen um den Weiterverkauf, um das schnelle Geld. Ein Prozess, der den Künstlern schadet.
Doch was ist, wenn sie dagegen steuern? Zum Beispiel, indem sich ihre Kunstwerke beim Weiterverkauf selbst zerstören. Das ist die Idee hinter Sven Sauers Experiment namens Tulip Mania.
Verkaufen, verändern, zerstören
Die Idee hinter der Ausstellung ist es, die Funktionsweise von Märkten, Spekulationen und Crashs zu hinterfragen. Zu sehen sind in der Installation im POP KUDAMM primär 5 NFTs, die allesamt Tulpenfelder darstellen, die von oben in 3/4-Perspektive von Drohnen aufgenommen wurden. In der achtjährigen Konzeptionsphase des Werkes wollte Sauer vor allem das Chaos, das in der Finanzkrise und in der 2015er-Protesten in Frankfurt, spürbar wurde, einfangen:
Der erste Blick wirkt […] ästhetisch überaus ansprechend. Farbige geometrische Flächen schaffen bunte Muster. Doch bei näherer Betrachtung werden Details sichtbar: die farbenfrohe Landschaft ist immer wieder in weiße Asche getaucht: Überreste von Schauplätzen, die wir zu kennen glauben. (Sven Sauer)
Alle fünf Kunstwerke sind käuflich. Interessierte können einfach ihre Wallet mit der Webseite verbinden und für einen Schnäppchenpreis von knapp 1900 € eines der NFT erwerben. Wenn sie möchten, können sie es auch wieder verkaufen. Doch hierin liegt die Krux. Die Kunstwerke verändern sich mit jedem Verkauf weiter, bis sie sich schließlich selbst zerstören. Der Käufer weiß hiervon und muss erwägen, was er tut.
Tulip Mania ist als Experiment gekennzeichnet. Sauer weiß selbst nicht, was der Ausgang sein wird. Tatsache war, dass mehrere Auktionshäuser seine Idee zurückwiesen: „In Ihren Augen untergrub ich ihr Geschäftsmodell. Mir wurde signalisiert, dass sie nur positive und unkritische Arbeiten verkaufen würden.“
Die Tulpenblase platzt
Die Ausstellung ist im POP KUDAMM zu finden, ein Pop-up Space aus Containern zwischen Gedächtniskirche, Zoo Fenster & Co. Beim Besuch der zweiwöchigen Installation legt sich der Betrachter auf Kissen und wird von Glow Lamps in pinkem Licht bestrahlt. Der Kunstraum wird zum Gewächshaus und der Konsument zum Produkt, der wachsen und gedeihen und den Kunstmarkt antreiben soll. Der Soundtrack dazu kommt vom Soundkünstler Bony Stoev, der Kontobewegungen in Geräusche übersetzte.
Bleibt noch die Frage: Wieso Tulpen? Die Tulip Mania im 17. Jahrhundert ging als erste Spekulationsblase in die Geschichte ein. Nachdem die exotische Pflanze aus Zentralasien nach Europa importiert wurde, erfreute sich sie rasanter Beliebtheit. Die Blume war so beliebt, dass die Preise um 1636 explodierten – eine Tulpenzwiebel wurde zum Preis eines Hauses in Amsterdam angeboten. Die Blase platzt im Februar 1637, die Zwiebeln werden wertlos, der niederländische König verbietet den Handel daraufhin. Wie wird Sven Sauers Experiment ausgehen?
Die Ausstellung läuft noch bis zum 26. November 2022. Weitere Infos findet ihr hier.