Es gibt kaum eine andere Stadt, die für die Tattooszene so spannend ist, wie Berlin. Eine Szene, die sich dauernd ändert und weiterentwickelt, die dauernd neue Impulse empfängt und vielleicht ähnlich transitorisch ist, wie Berlin im Großen und Ganzen. Doch wie viel wissen wir von den Menschen, die uns tätowieren? Was prägt die neuere Welle an Tätowierern? Wo kommen sie her? Was inspiriert sie? Was macht das Tätowieren besonders für sie?
In unserer zweiten Ausgabe kommen zwei Künstler zu Wort, die beide ihren unnachahmlichen Stil gefunden haben
stickyfingeerttt
Handgestochene Tattoos werden immer beliebter. Ein Glück für Andrés aka stickyfingeerttt, der sich der Technik völlig verschieben hat. Seit 6 Jahren praktiziert er sie bereits, fragile Motive, die so fein sind, dass sie kaum wie Tattoos erscheinen.
Hola stickyfingeerttt!
Was steckt hinter Stickyfingeerttt?
Mein Künstlername ist eine Anspielung auf die Hand-Poke-Technik (auch bekannt als Stick & Poke), bei der ohne Maschine tätowiert wird.
Aber der Name wurde auch von einer australischen Band inspiriert. Fans der legendären Sticky Fingers Band landen manchmal auf meiner Seite und bekommen ein Tattoo. #FreePublicity
Was ist dein Background?
Ich komme aus Mexico City und die Szene dort entwickelte sich sehr schnell. Leider gibt es immer noch das Vorurteil, dass handgestochene Tattoos unhygienisch sind (was nicht stimmt). Es war deshalb eine große Herausforderung, ein Studio zu finden, wo ich diese Art des Tätowierens lernen konnte. Also habe ich es mir selbst beigebracht. Ich bin dankbar, dass ich diesen Weg gewählt habe.
Warum hast du dich für diese Methode entschieden?
Es war zuerst rein pragmatisch. Ich hatte einfach nicht die Mittel, mir eine Maschine zu besorgen. Glücklicherweise hatte ich viele Freunde in der Skaterszene von Mexiko-City. Für sie war es egal, ob das Ergebnis trashy war, umso besser! So stand ich nicht unter Druck, perfekt zu arbeiten. Außerdem habe ich es immer geliebt, per Hand zu arbeiten – kein Wunder, dass ich Handpoke mache!
Was kann man mit Handpoke erreichen, was mit der Maschine nicht möglich ist?
Mir wurde klar, dass das Tätowieren von Hand eine völlig andere Erfahrung für den Tätowierer und den Tätowierten ist. Es ist langsamer, bewusster – fast meditativ! Es kommt oft vor, dass meine Kunden dabei einschlafen! Ein weiterer Vorteil ist, dass Handpoke sanfter ist und weniger weh tut als ein traditionelles Tattoo mit der Maschine. Zudem kann man sich besser unterhalten, wenn das Maschinengeräusch nicht da ist. Ich lerne gerne meine Kunden kennen. Das Tätowieren ist eine einzigartige Erfahrung, keine Dienstleistung.
Sind kleine Tattoos dein Markenzeichen?
Für uns Menschen sind die Grashalme, die Ameisen transportieren winzig, für die Ameisen sind sie enorm groß. Ich sehe hier eine Parallele zu meiner Arbeit. Es dauert viel länger, eine Linie zu stechen. Mir erscheint jedes Design als „groß“. Aber ja, irgendwann würde ich gerne Sleeves und große Designs stechen.
Hast du ein Lieblingstattoo, das du gemacht hast?
Nicht unbedingt, für mich zählt jedes Tattoo! Aber ornamentale Muster machen wirklich Spaß.
Machst du noch andere Kunst?
Ich bin dabei, Schmuck zu designen. Es ist etwas im Gange, also bleibt dran!
Was inspiriert dich?
Ich werde von Gefühlen inspiriert. Vielleicht gehe ich spazieren und eine Emotion taucht auf und später schaffe ich es, sie greifbar, erlebbar zu machen. Es gibt keine Geschichte hinter meinen Designs. Eher bestimmte Gefühle, denen ich in einer Phase meines Lebens immer begegnet bin.
Welchen Tätowierern in Berlin außer dir sollten wir folgen?
@ni.doto, @madmanware, @mo_stenska, @loscoloresdelola, @tallulahbites, @olafjosef, @kat_r_art, @max_fiolet
Ergänze den Satz: „Tätowieren ist für mich wie…“
Tätowieren ist für mich die einzige Zeit, wo ich mich auf die Gegenwart konzentrieren kann.
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Aga Kura Tattoo
6 scheint eine heilige Zahl zu sein, denn so lange ist auch Aga Kura mit Nadel und Farbe unterwegs. Sie ist momentan im Akurat Studio in Treptow zu finden.
Auch wenn sie selbst ihren Stil nicht genau definieren kann, liegt er irgendwo zwischen Abstraktion und Surrealismus. Monde, Planeten und geometrische Linien geben dem Ganzen einen mathematisch-spirituellen Touch. So als ob Mitglieder von Tool tätowieren würden.
Cześć Aga Kura!
Was ist dein Background?
Ich komme aus Polen und habe dort Kunst und Modedesign studiert. Nachdem ich nach Berlin gezogen bin, habe ich mich hauptsächlich mit Mode, Musik und Grafikdesign beschäftigt.
Wie kamst du zum Tätowieren?
Ich brauchte eine Auszeit von der Modebranche. Ein Freund, der auch Tätowierer ist, hat mich überzeugt, es ihm gleichzutun. Seitdem ist es mein Hauptjob – und definitiv mein Lieblingsjob.
Machst du also noch andere Kunst?
Ich entwerfe Plakate, mache Grafikdesign, und von Zeit zu Zeit auch Fashion.
Bist du spirituell?
Ich denke, ich bin ziemlich abgehoben. Die Natur und das Universum faszinieren mich zutiefst.
Wo kommen deine Ideen her?
Ich zeichne einfach das, was ich in jenem Moment fühle. Andererseits experimentiere ich gerne mit neuen Techniken und denke mir neue Projekte aus. Ich höre mir die Geschichten der Leute an und versuche ihre Ideen zu verbildlichen.
Was ist das letzte Projekt, auf das du stolz bist?
Momentan bin ich von 3D-Formen besessen. Das ist etwas, was ich schon lange ausprobieren wollte. Es eröffnet mir neue Möglichkeiten. Aber ich improvisiere auch gerne.
Ergänze den Satz: „Tätowieren ist für mich wie…“
…Reisen. Es bringt immer neue Erfahrungen und Menschen mit sich und wird nie langweilig.
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Nächste Woche kommt der dritte und letzte Teil der Interviews!