Berlin hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine beeindruckende Wiederaufbauleistung gezeigt. Ein Spaziergang durch die Hauptstadt lässt an jeder Ecke alte Zeitzeugen und Symbole für den Frieden aufkommen. Zu einem dieser Orte gehört auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Sie ist international bekannt und zählt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Eine einzigartige Architektur: Auf Alt trifft Neu

Wie der Name schon nahelegt, wurde der ursprüngliche Bau von Kaiser Wilhelm II. zu Ehren seines Großvaters Kaiser Wilhelm I. veranlasst. 1895 ließ er die Kirche im neoromanischen Stil einweihen. Der ursprüngliche Turm war mit 113 Metern sogar der höchste der Stadt.
Mit dem Zweiten Weltkrieg kehrten dunkle Zeiten über Berlin ein, woran bis heute viele Mahnmale erinnern. Am 23. November 1943 wurde die Kirche bei einem Bombenangriff fast komplett zerstört. Im Jahr 1957 begann dann die Diskussion: Was sollte man mit der Ruine machen? Schließlich setzte sich die Idee durch, die Ruine als Mahnmal gegen den Schrecken des Krieges zu erhalten und einen Neubau daneben zu errichten.
Berliner Kreativität lässt Spitznamen entstehen

Die Kirche ist bekannt für ihr ungewöhnliches Erscheinungsbild, da sie aus zwei Teilen besteht. Die Ruine der ehemaligen Kirche besticht ganz im Stil der neuromantischen Architektur. Die Turmruine trägt den Spitznamen „der hohle Zahn“. Die neugebaute Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, eingeweiht 1961, besteht aus einem achteckigen Kirchenschiff mit einem separaten, ebenfalls achteckigen Glockenturm.
Die Berliner:innen gaben auch der neuen Kirche schnell Spitznamen: Der moderne Glockenturm wird oft als „Lippenstift“ oder die Kirche als „Puderdose“ bezeichnet. Denn – mit ein wenig Fantasie – kann man in der hohen beziehungsweise achteckigen Form genau diese Gegenstände erkennen.
Die Kirche selbst hat tiefblaue Wände, die aus über 20.000 einzelnen Glasbausteinen bestehen. Das Blau der Fenster steht symbolisch für Frieden und die eingearbeiteten farbigen Spuren für die Freude. Wenn ihr die Kirche betretet, sorgt gerade dieses besondere Licht für eine Atmosphäre der Stille und Besinnung. Und nachts wird das Blau durch eine elektrische Beleuchtung zwischen den doppelten Glaswänden noch verstärkt und strahlt bis in die Stadt hinein.
Orte des Gedenkens

Im Erdgeschoss der alten Turmruine befindet sich die Gedenkhalle, ein kleines Museum. Es lohnt sich, wenn ihr die alte Architektur und Szenen aus dem Leben von Kaiser Wilhelm I. sehen wollt. Ein weiterer Ort des Gedenkens befindet sich direkt vor der Kirche auf dem Breitscheidplatz. Ein dort in den Boden eingelassener goldener Riss erinnert an die Opfer des Terroranschlags auf den dortigen Weihnachtsmarkt im Dezember 2016.
Und rund um die ehemalige Kirche rankt sich auch eine Geschichte: Denn sie besaß einmal nach dem Kölner Dom das zweitgrößte Glockengeläut Deutschlands – während des Zweiten Weltkrieges wurden sie allerdings eingeschmolzen. Einer Überlieferung zufolge sollen die Glocken bei der Einweihung aber so laut gewesen sein, dass sogar die Wölfe im Berliner Zoo zu heulen begannen…