Es gibt kaum eine andere Stadt, die für die Tattooszene so spannend ist, wie Berlin. Eine Szene, die sich dauernd ändert und weiterentwickelt, die dauernd neue Impulse empfängt und vielleicht ähnlich transitorisch ist, wie Berlin im Großen und Ganzen. Doch wie viel wissen wir von den Menschen, die uns tätowieren? Was prägt die neuere Welle an Tätowierern? Wo kommen sie her? Was inspiriert sie? Was macht das Tätowieren besonders für sie?
In unserer ersten Ausgabe: Zwei Brasilianer und ein Rumäne, die alle neue Wege gehen.
Lofi Peaks
Be aka Lofi Peaks, bringt schon seit 6 Jahren ihre Motive unter die Haut. Im Moment findet ihr sie im Baby Berlin Tattoostudio in der Neuköllner Wipperstraße 14.
Bes Stil ist sauber und minimalistisch, irgendwo auf halber Strecke zwischen abstrakt und figurativ angesiedelt. Zweige und Blätter ranken sich um Arme und Torsos, stehen im telepathischen Austausch mit Halbmonden, wachsen an Visagen vorbei, die einer unklaren Zukunft entgegenblicken.
Olá, Lofi Peaks!
Was ist dein Background?
Ich komme aus São Paulo. Ich komme aus der Illustration und habe später Architektur und Stadtplanung studiert.
Wie kamst du zum Tätowieren?
Ich hatte einige Jahre Erfolg in meinem Traumjob als Illustratorin, doch nach einer Krise im Printbereich musste ich mich plötzlich nach einem neuen Job umsehen. Da ich Tattoos schon immer mochte, entschied ich mich, es einfach auszuprobieren. Ich hatte schließlich nichts zu verlieren! Zum Glück klappte es und erwies sich als sehr erfüllend. Der direkte Austausch mit Menschen ist für mich unbezahlbar.
Was willst du mit deiner Kunst erreichen?
Tattoos können sehr gut fürs Selbstwertgefühl und fürs Körperbild sein. Ich möchte, dass meine Kunden ihre Tattoos mit Stolz tragen, dass sie gute Gefühle in ihnen auslösen. Vielleicht fühlen sie sich damit sexy, vielleicht bringt es ihren Körper besser zur Geltung, vielleicht sind sie mit einer guten Erinnerung verknüpft, vielleicht hilft es den Leuten, sich selbst besser zu akzeptieren.
Was sollte man wissen, wenn man ein Tattoo von Lofi Peaks möchte?
Abgesehen von den langweiligen Basics – also genug Wasser trinken, ausgeruht kommen – sollten sie wissen, dass wir uns in einem Safe Space befinden. Habt keine Angst, eure Sorgen oder Zweifel zu äußern. Es ist okay, wenn ihr euch unsicher über die Platzierung des Tattoos seid oder einfach Angst habt. Wir können alles besprechen, damit beide Seiten mit dem Resultat zufrieden sind.
Wer sind deine Vorbilder in der Tattoo- und der Kunstwelt?
Ganz oben auf meiner Liste stehen der große Moebius und Egon Schiele. Wenn es um Illustration geht, liebe ich Adara Sanchez, Julia King, Marguerite Sauvage oder Loish. Was Tattoo anbelangt, so ändert sich mein Geschmack ständig. Andererseits bewundere ich die Kunst und das Handwerk von Vincent Denis, Yara Floresta, Kelly Rico, Mr. Preston, Luke Vena, Iskra Zauvek, Carlo Roffare, Chiara, Alvar Mena.
Welchen Tätowierern in Berlin außer dir sollten wir folgen?
@coolkid_tattoo, @koulos.s, @yacinton_tattoos, @yucky___tats, @ni.doto, @madmanware
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Marcio Zamboni
Erst seit 2 Jahren dabei ist Marcio Zamboni, der im SóLaura Studio in Neukölln arbeitet.
Eher figurativ unterwegs, erinnern seine Tattoos uns an Holzschnitte – obwohl sie von einer anderen Kunsttradition inspiriert sind. Göttinnen, Meerjungfrauen und stramme Athleten teilen sich den Platz auf eurer Haut mit Old-School-Tigern oder Schlangen.
Olá Marcio!
Was ist dein Background?
Ich bin in São Paulo geboren und aufgewachsen, habe aber nie Kunst studiert. Meine wissenschaftliche Laufbahn war humanistisch geprägt und ich habe meinen Doktor in Anthropologie gemacht. Aber seit meiner Kindheit habe ich unaufhörlich gezeichnet und war ständig von Kunst und Kunstschaffenden umgeben: meine Eltern, meine Brüder, meine Freunde. Darüber hinaus hatte ich das Glück, mich mit einigen großartigen queeren Künstlern aus São Paulo anzufreunden, die mich sehr geprägt haben.
Wie kamst du zum Tätowieren?
Ich kam mit meiner akademischen Karriere an eine Sackgasse. Ich bekam meinen Doktortitel nur wenige Wochen vor dem ersten Lockdown 2020 und war zu dem Zeitpunkt bereits von der akademischen Welt erschöpft. Es war Zeit, eine neue Richtung einzuschlagen und der Lockdown erschien mir als perfekter Zeitpunkt zu sein, um zu lernen, wie man tätowiert.
Machst du noch andere Kunst?
Ich zeichne. In meiner ersten Ausstellung 2011 stellte ich großformatige Zeichnungen mit Tusche auf Papier – eine Art von Linienführung, die heute viel mit meinen Tattoos zu tun hat. Außerdem experimentierte ich viel mit Keramik. So habe ich einige wichtige Handgriffe gelernt, z.B. wie man auf einer unebenen Fläche zeichnet.
Was sollte man wissen, wenn man ein Tattoo von Marcio Zamboni möchte?
Für mich ist Kommunikation am wichtigsten. Ein Tattoo ist wie eine Koproduktion vom Tätowierer und Tätowierten. Die Haut ist für mich nicht irgendeine Oberfläche für meine Kunst.
Was inspiriert dich?
Queere Kunst, Archäologie, heilige Geometrie, traditionelle Körperbemalung und Old School Tattoos.
Was ist das letzte Projekt, auf das du stolz bist?
Meine Ausstellung „Berlin Under the Skin“ in der Galerie des SóLaura Studios, wo ich jetzt als Gasttätowierer arbeite.
Ergänze den Satz: „Tätowieren ist für mich wie…“
Tätowieren ist wie das Leben: schön, schmerzhaft und ohne einen Strg + Z-Befehl.
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CoolKid Tattoo
Ähnlich wie Be und Marcio war auch für Bogdan das Tätowieren etwas, was sich ergeben hat. Unter dem Namen CoolKid Tattoo tätowiert der Rumäne inzwischen seit 4 Jahren und ist momentan auch im SóLaura Studio in Neukölln zu finden.
Sein Stil hat etwas täuschend simples an sich: Zeichnungen, die eine klare Handschrift tragen, ohne ihre schelmische und lockere Natur aufzugeben.
Salut CoolKid!
Was ist dein Background?
Ich bin in Rumänien geboren, und habe keine künstlerische Ausbildung. Ich fing an, mich für Kunst zu begeistern, als ich 14 Jahre alt war. Zuerst kamen Anime, ich brachte mir selbst das Zeichnen und Malen bei. Dank dieser fehlenden formalen Grundlage konnte ich von Anfang an meinen eigenen Stil entwickeln. Doch letztes Jahr habe ich endlich mein Kunststudium abgeschlossen.
Wie kamst du zum Tätowieren?
Ich fing am Anfang meines Masterstudiums an, ohne vorherige Erfahrung. Ich wollte kreativ sein, aber auch etwas Geld dazuverdienen. Mir wurde schnell klar, dass ein Bürojob nichts für mich ist, außerdem braucht es Zeit, bis man vom Malen leben kann. Deswegen war das Tätowieren eine gute Alternative.
Was hat deinen Stil beeinflusst?
Als ich mit dem Tätowieren anfing, war mein Stil ganz anders als heute, aber beide Stile sind vom Trash-Tattoo-Stil und dem Ignorant-Tattoo-Stil beeinflusst. Alles, was originell und abseits des Mainstreams ist, inspiriert mich.
Warum sind Doodles besser als aufwendige Arbeiten?
Ich würde behaupten, dass meine Kritzeleien besser sind als ausgefeilte Werke. Aber ich denke, dass meine Arbeiten vor allem deshalb herausstechen, weil sie ein Gefühl von Leichtigkeit und guter Energie vermitteln.
Was ist das letzte Projekt, auf das du stolz bist?
Ich habe an einer Kunstausstellung in Bukarest teilgenommen, wo Künstler, die letztes Jahr ihren Abschluss gemacht haben, eingeladen wurden. Ich durfte dort meine Abschlussarbeit ausstellen, das macht mich sehr stolz.
Ergänze den Satz: „Tätowieren ist für mich wie…“
… ein lustiger, manchmal beängstigender Meditationsprozess.
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Nächste Woche kommt der zweite Teil der Interviews!