2008 schrieb der „Berliner Patient“ Medizingeschichte als erster Mensch, der nach einer Stammzelltransplantation von HIV geheilt wurde. Jetzt hat ein Team der Charité – Universitätsmedizin Berlin diesen medizinischen Erfolg erneut erzielt. Ein zweiter Berliner Patient ist seit über fünf Jahren ohne nachweisbares HI-Virus, trotz des Verzichts auf antivirale Therapie. Und diesmal nutzten die Ärzte eine andere Methode, die eine neue Erklärung des Heilungsmechanismus erfordert.
Neue Methode hat HIV geheilt
Stammzelltransplantationen sind nur für HIV-Patient:innen mit bestimmten Krebsarten wie Blut- oder Lymphknotenkrebs geeignet. Diese Methode tauscht das Immunsystem des Patienten gegen das eines gesunden Spenders aus, was sowohl den Krebs als auch das HI-Virus bekämpfen kann. Ein entscheidender Punkt ist der CCR5-Rezeptor, den das HI-Virus benötigt, um sich zu vermehren. Etwa ein Prozent der europäischstämmigen Bevölkerung hat eine Delta-32-Mutation dieses Rezeptors, die HIV-Resistenz bietet. Bisher nahm man an, dass der Spender diese Mutation haben muss, um eine Heilung zu ermöglichen.
Beim zweiten Berliner Patienten, der 2009 HIV-positiv getestet und 2015 mit akuter myeloischer Leukämie (AML) diagnostiziert wurde, gab es jedoch keinen geeigneten Spender mit dieser Mutation. Stattdessen fand man eine Spenderin, die sowohl die normale als auch die mutierte Version des CCR5-Rezeptors trug. Trotz des Fehlens vollständiger Immunität zeigte der Patient nach der Transplantation keine Virus-Reste mehr, selbst nachdem er 2018 seine antivirale Therapie eigenständig abgesetzt hatte. Sein Immunsystem ist funktional und frei von Krebszellen, was auf eine vollständige Heilung hinweist.
Unerwartete Erkenntnisse
Professor Christian Gaebler, HIV-Experte der Charité, betont die Überraschung über die Heilung trotz der fehlenden vollständigen Immunität der Spenderin. Normalerweise kehrt das HI-Virus nach einigen Monaten zurück, wenn der Spender nicht resistent ist. Doch beim zweiten Berliner Patienten scheint das neue Immunsystem alle HIV-infizierten Zellen beseitigt und den Patienten somit geheilt zu haben. Die Forschenden vermuten, dass die schnelle Ersetzung des Immunsystems oder besondere Eigenschaften der Spenderzellen zur Heilung beigetragen haben könnten.
Zukunftsaussichten
Das Team hofft, aus diesen Erkenntnissen neue Ansätze für die HIV-Behandlung zu entwickeln. Ziel ist es, HIV-Infektionen zukünftig nicht nur im Einzelfall, sondern breiter heilen zu können. Auch wenn die Stammzelltransplantation aufgrund ihrer Risiken nicht für alle Patient:innen geeignet ist, könnten die gewonnenen Erkenntnisse neue Therapien wie zellbasierte Immuntherapien oder therapeutische Impfstoffe inspirieren.